Schützenkompanie Thaur

Herz Jesu

Von Landeskurat Msgr. Josef Haselwanner

Heuer  begeht  Tirol die 200-Jahr-Feier des Gelöbnisses des Landes Tirol an das  göttliche  Herz  Jesu.  Der Bund der Tiroler Schützenkompanien hat aus diesem  Anlaß  für  sein Arbeiten das Motto gewählt: "Von den Fahnen in die Herzen!"  Damals  in der  Not, unter fremder Herrschaft, in der Kriegsgefahr suchte  man Hilfe bei Gott dem Herrn, man stellte sich unter seinen Schutz, man  betete um Frieden und Freiheit, und als äußeres Zeichen ihres Glaubens hefteten  unsere  Väter  das  Symbol des göttlichen Herzens auf viele ihrer Fahnen.  Es  war  dies  ein  äußeres  Zeichen  einer  inneren  Haltung  und Überzeugung.  Heute,  da  wir  Frieden  schon so lange haben wie niemals je zuvor,  da  können  wir  dies kaum noch begreifen; wir haben aber auch kaum noch  Zugang  zu dem, was "Herz Jesu" im tiefsten und letzten bedeutet. Die Symbole  sagen  uns  nicht mehr allzuviel, wir verstehen sie nicht mehr, es besteht  die Gefahr, daß sie wirklich nur mehr Zierat auf alten Fahnen sind und nicht mehr brennen in den Herzen der Gläubigen. Und so wäre es der Mühe und  der  Arbeit wert, sie wieder hereinzuholen in die Herzen der Menschen, denn in ihnen ist die Fülle und Tiefe unseres Glaubens enthalten.

In diesem Bild  vom göttlichen Herzen wird uns das gesagt, was Johannes in die kurzen Worte  faßt: "Gott ist die Liebe" (1 Joh 4,16). In einer Zeit der absoluten Gläubigkeit  an  die  Technik,  die  Wissenschaft  und den Fortschritt, des Konsumdenkens  und  des  Genießenwollens.  In  einer  Situation, in der der Mensch  vereinsamt,  kein  Ziel  mehr hat und oftmals auch keinen Sinn mehr findet,  in  der die Menschen verarmen (materiell und seelisch in der Welt) und  Gefühlskälte immer mehr um sich greift, Herzen in der Gefühlsarmut und  Gleichgültigkeit  aneinander  erstarren,  wo Heimat- und Geborgenheitssuche vergeblich  wird,  hier ist wiederum Herz gefragt, oder, wie es Bischof Dr. Stecher  einmal  ausdrückte:  "Herz  müßte  Trumpf  sein." Nicht Herzen aus Stein,  nein, solche aus Fleisch und Blut sind gesucht. Herzen, die von der Liebe  nicht  nur  sprechen, sondern sie einfach tun. Gelebte, praktizierte Nächstenliebe,  Kameradschaft, Miteinander und Füreinander, Solidarität ist gefragt.  All  das,  was  Getrenntes  zu  verbinden  und  vereinen mag; was Versöhnung  schafft  und  die  Kraft besitzt, zu verzeihen und zu vergeben; das,  was  bereit ist zu geben und zu schenken und zu opfern; was Vertrauen aufbaut  und  schenkt;  Hoffnung gibt, Zuversicht und Zukunft; all das, was Sinn finden und das Ziel des Lebens entdecken läßt, was aus der Endlichkeit und  Begrenztheit hinausweist in die Weiten des Lebens und der Zukunft, was den  Sprung  schafft  vom Diesseits ins Jenseits; das was zu finden wäre in der  Stille,  aber auch der Lärm der Welt nicht zum Schweigen bringen kann; was  wir  entdecken könnten im Wort Gottes und im Gebet.

Um das Teilen, das Schenken  - das seliger macht als das Nehmen -, um die Solidarität, die aus all  unseren  Abgründen,  Tiefen und Bitternissen. Wir können sie finden in den  Herzen  der Menschen, wenn auch manchmal verschüttet und arg vernarbt. Sie  leuchte  uns  aber  vor  allem  auf  im  Herzen  des  menschgewordenen Gottessohnes, im Herzen Jesu. Nach Johannes dem Evangelisten (19,34) hat es der  Hauptmann  unter dem Kreuz mit seiner Lanze geöffnet, und es floß Blut und   Wasser   heraus.   Ein  Lanzenstoß  ins  Zentrum  der  Welt  und  der Heilsgeschichte:  in  das  Herz des Herrn, in dem die Fülle wohnt und nicht die  Leere,  das  das  Leben  ist und nicht der Tod, in dem sich alle Liebe sammelt  und  konzentriert, in dem die Güte zu finden ist, jedoch kein Raum für Enge, Verneinung und Abgründiges. Hier im Zentrum der Welt und inmitten der Geschichte wird durch einen Menschen, der nicht weiß, was er die Quelle allen  Heils,  der Hoffnung und der Zukunft geöffnet. Wasser strömt hervor, das die Sünde der Welt abwäscht; Blut als Zeichen des Neuen Bundes, das uns Menschen  für  immer  mit  Gott  verbindet.  Der  Hauptmann unter dem Kreuz selbst,  die Kirchenväter, Theologen und unzählige Christen schauen seither staunend und ergriffen auf das durchbohrte Herz Jesu. In Not und Gefahr, in Leid  und  Bedrängnis nahmen sie zu ihm ihre Zuflucht, und in ihm sahen sie die  Quelle  und  das  Zeugnis  der  unergründlichen  Liebe  Gottes  zu uns Menschen.  Das  durchbohrte  Herz  zeigt  uns,  wie ernst es Gott meint. In diesem  geöffneten  Herzen  des Erlösers wird uns gesagt, daß es offensteht für  alle,  damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heils. In diesem Herzen  -  dem  Herzen Jesu - wird uns gesagt, daß Gott seine Liebe, die er uns  einmal  zugesagt,  niemals mehr zurücknimmt.

Karl Rahner sagt in einem Gebet:  "Am  Herzen  Jesu  wissen wir, wer Gott uns sein will, beglückendes Geheimnis  der  Liebe.  Wenn  er  uns  liebt,  ist  alle Herzensnot von uns genommen.  An seinem Herzen, in diesem Herzen wird unser Herz ruhig. Es ist da,  Herz,  an  dem selbst noch Diebe und Mörder Verzeihung finden." Es ist das Herz, in dem unsere tiefsten Nächte Tage geworden sind, weil es sie mit uns  getragen.  Es  ist  das  Herz,  in  dem  sich  alles in die eine Liebe verwandelt." Herz Gottes, Herz Jesu, Reichtum der Liebe, deren wir Menschen so  nötig bedürfen. In diesem Herzen wird uns gesagt, daß es offensteht für alle  und  daß  es für dieses Herz keine Grenzen und Hindernisse gibt. Herz Gottes,  das  Brücke  ist von Gott zu uns Menschen und umgekehrt. Aber auch Brücke von Mensch zu Mensch, auf daß sie eins werden und seien. Herz Gottes und  Herz  Jesu,  das  uns  aber auch in die Pflicht nimmt, Empfangenes und unverdient Geschenktes weiterzugeben an unsere Brüder und Schwestern, damit auch  wir nicht mehr für uns selber leben, sondern füreinander und für den, dessen  Herz so viele unserer Fahnen ziert; daß es von den Fahnen in unsere Herzen komme und Frucht bringe und Zeugnis gebe in Kirche und Welt.